ein kostenloser, werbender Service
für Ärztinnen und Ärzte
(keine Produkt-Werbung)
von
sanofi-aventis
Psychiatrische
Notfälle
Psychiatrische Notfälle fordern den Notarzt
auf andere Weise als ein Herzstillstand oder
Schlaganfall. Das Spektrum umfasst neben den
psychiatrischen Krankheiten im engeren Sinn
auch Vergiftungen, Entzugserscheinungen, Suizidversuche
und psychische Erregungszustände, die
häufig auf einer psychosozialen Krise
beruhen. Letztere lassen sich oft durch eine
Basiskrisenintervention wirksam behandeln,
die den Patienten durch Zuwendung und ein
ruhiges Gespräch stabilisiert. Andere
Krankheitsbilder werden medikamentös
behandelt; im Extremfall einer möglichen
Eigen- oder Fremdgefährdung hat der Notarzt
darüber zu entscheiden, ob er die für
eine zwangsweise Unterbringung erforderliche
Bescheinigung ausstellt. Da jeder achte Einsatz
einem psychiatrischen Notfall gilt, sollte
sich jeder Notarzt damit befassen denn
in der Ausbildung zum Arzt im Rettungsdienst
wird er in aller Regel nicht ausreichend auf
psychisch kranke Patienten vorbereitet.
Etwa jeder achte Notarzteinsatz gilt einem
psychiatrischen Notfall. Diese Krankheitsbilder
stehen damit an dritter bis vierter Stelle
der Einsatzstatistik. Psychiatrische Notfälle
sind somit weit häufiger als etwa Kindernotfälle
oder Verbrennungen. Beispielhaft sei hier
auf eine aktuelle Auswertung der Diagnosen
der Notärzte in Aachen verwiesen:
Die Aachener Statistik entspricht den Angaben
für das Bundesgebiet durch die Arbeitsgemeinschaft
Notfallmedizin und Rettungswesen. Dort wird
auch vermutet, dass im ländlichen Raum
weniger derartige Notfälle gemeldet werden.
Das kann durch die Statistik aus der Umgebung
von Aachen bestätigt werden:
Psychiatrische
Notfälle
Berufsfeuerwehr
Stadt Aachen
11,67 %
Freiwillige Feuerwehr Düren Notarzteinsatzfahrzeug
I
8,66 %
Freiwillige Feuerwehr Düren Notarzteinsatzfahrzeug
II
6,27 %
Malteser-Hilfsdienst Linnich
6,86 %
Etwa
bei jedem dritten psychiatrischen Notfall
hat es der Arzt mit einer Vergiftung durch
Alkohol, Medikamente oder illegale Drogen
zu tun. Die Statistik wird gefolgt von Erregungszuständen,
Psychose/Depression/Manie, Suizidversuchen,
sozialen Krisen und Entzugssymptomatik. Für
das Jahr 2005 ergab sich in Aachen folgendes
Bild:
Die Leitsymptome eines psychiatrischen Notfalls
betreffen das Bewusstsein, den Antrieb oder
die Stimmung. Der Zustand kann lebensbedrohlich
sein oder schwere Folgen nach sich ziehen,
weshalb ein sofortiges Eingreifen und eine
Therapie erfolgen muss, die sich an den Symptomen
orientiert:
Leitsymptome
eines psychiatrischen Notfalls
Gestörtes
Bewusstsein
qualitativ
Koma, Sopor, Somnolenz
quantitativ
Delir, einfache Verwirrung, Dämmerzustand
Gestörter Antrieb
Steigerung
Erregungszustand
Minderung
Stupor, Autismus
Gestörte Stimmung
gehoben
Manie
gesenkt
Depression, Suizidalität
Nicht
immer sind Notärzte ausreichend darauf
vorbereitet, diese Krankheitsbilder zu erkennen
und voneinander zu unterscheiden. 78 Prozent
der Notärzte halten sich in dieser Hinsicht
nicht für ausreichend ausgebildet; entsprechend
werden nur in etwa 80 Prozent der Fälle
die richtigen Diagnosen gestellt.
Erste
klinische Einschätzung
Eine erste klinische Einschätzung
ergibt sich aus dem unmittelbaren Kontakt
zum Patienten: Wie wirkt er wach, ansprechbar,
orientiert? Wendet er sich dem Gesprächspartner
zu, ist er offen oder misstrauisch? In einer
ruhigen Umgebung (zum Beispiel im Rettungswagen
bei geschlossenen Türen) sollte der Notarzt
dann den Zustand des Patienten ausloten durch
Fragen wie diese:
-
Wie ist Ihre Stimmung? Gedrückt, euphorisch?
- Fühlen Sie sich bedroht, verfolgt?
- Sind Sie sensibler als andere Menschen?
- Drehen Sie sich schon mal um, ob jemand
hinter Ihnen ist?
- Hören Sie Stimmen oder Geräusche,
die andere nicht sehen bzw. hören? Sehen
Sie Bilder? Dabei beobachten, ob Patient innehält,
in eine Ecke sieht (als ob dort jemand ist):
Hinweis auf Schizophrenie
Hinter
einem psychischen Erregungszustand steckt
häufig eine psychosoziale Krise. Auslöser
können eine Trennung, Mobbing, der Verlust
des Arbeitsplatzes oder der Wohnung oder generell
eine lang anhaltende Perspektivlosigkeit sein.
Wenn die Bewältigungsstrategien zusammenbrechen,
kann das zu einem plötzlichen Ausrasten
führen, häufig verquickt mit einer
Suchtproblematik oder der Äußerung
von Suizidgedanken.
In
vielen dieser Fälle ist eine Basiskrisenintervention
erforderlich und hilfreich, deren wichtigste
Mittel Ruhe und ein Gespräch mit dem
Patienten sind. Dennoch dauern solche Einsätze
nicht länger als bei somatisch Erkrankten
(siehe: Zeitaufwand für psychiatrische
Notfälle.) Jeder Notarzt sollte
diese präklinische Basiskrisenintervention
beherrschen, sagt Dr. Katja Scholtes,
Leiterin der Notaufnahme des Klinikums Hanau.
Im Online-Journal Das gepfefferte Ferkel
hat sie das Gesprächsprotokoll einer
solchen Intervention veröffentlicht.
Das
Beispiel macht deutlich, wieviel der Notarzt
durch Zuwendung und eine distanzierte
Empathie gegenüber dem Patienten
erreichen kann. Es handelt sich um die wirksame
Abwendung einer lebensbedrohenden Krise
ureigene Aufgabe des Arztes, der dazu nicht
immer technische Mittel oder Medikamente benötigt.
Nach dem Ende des Einsatzes sollte der Patient
möglichst nicht alleine zurück bleiben;
auch sollten ihm konkrete Anlaufstellen für
Therapieangebote genannt und möglichst
eine Perspektive auf Besserung eröffnet
werden.
Ärztliche
Aufgabe kann es bei psychiatrischen Notfallpatienten
auch sein, diese vor der Gewalt gegen sich
selbst oder andere zu bewahren. Es ist mit
einfachen Fragen möglich, die Suizidalität
des Patienten abzufragen dabei sollte
ihm vermittelt werden, dass es nicht schlimm
ist, darüber zu sprechen:
-
Haben Sie lebensmüde Gedanken?
- Sind konkrete Gedanken vorhanden? Haben
Sie Vorbereitungen getroffen?
- Bestehen passive lebensmüde Wünsche
(so ist das Leben nicht lebenswert,
ich wünschte, ich wäre tot
etc.)?
- Viele Menschen in Ihrer Situation
hätten lebensmüde Gedanken, geht
es Ihnen auch so?
- Können Sie sich von den Gedanken
distanzieren?
Wenn eine psychisch bedingte Eigen- oder Fremdgefährdung
anders nicht abgewehrt werden kann, sehen
Landesgesetze eine Unterbringung bzw. Zwangseinweisung
in ein (psychiatrisches) Krankenhaus vor.
Der Notarzt kann die erforderliche Bescheinigung
ausstellen, die vorläufigen Charakter
hat. Der Patient wird auf dem Transport in
der Regel ärztlich begleitet, wenn nötig
auch durch einen Polizeibeamten. Nach einer
ausführlichen Eingangsuntersuchung im
Krankenhaus entscheidet ein Richter spätestens
am folgenden Tag, wie lange die Unterbringung
andauert.
Von
den Erregungszuständen bzw. psychosozialen
Krisen abgesehen, werden die meisten psychiatrischen
Notfälle mit Medikamenten behandelt.
Es stehen die klassischen Antipsychotika (Haloperidol,
Levomepromazin) sowie Benzodiazepine (Diazepam,
Lorazepam) zur Verfügung; daneben auch
neuere Antipsychotika, die jedoch nicht in
einer intravenösen Darreichungsform verfügbar
sind. Auf diesem Gebiet existieren keine evidenzbasierten
Leitlinien und kaum Forschungsergebnisse.
Im Mittelpunkt der Notfallbehandlung sollten
die Bedürfnisse des Patienten stehen
und nicht die des Arztes was selbstverständlich
klingt, aber bei psychiatrischen Notfällen
gelegentlich vergessen wird. Entscheidend
ist die Krisenintervention, nicht etwa die
Sedierung des Patienten.
weitere
Links zum Thema:
Notfallmedizin
ein kostenloser, werbender Service
für Ärztinnen und Ärzte
(keine Produkt-Werbung)
von
sanofi-aventis
Copyright
© sanofi-aventis