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Stress bei der Unfallrettung
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für Ärztinnen und Ärzte
(keine Produkt-Werbung)
von
sanofi-aventis
Stress
bei der Unfallrettung
Für Notärzte ist es wichtig, mögliche
Stressoren sowie die Symptome einer posttraumatischen
Belastungsstörung (PTBS) zu kennen, um
gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen
- zum Beispiel bei einer Traumaambulanz. Denn
auch die alltäglichen Einsätze hinterlassen
ihre emotionalen Spuren.
Ein alltäglicher Fall: Der Notarzt wird
zu einem Mann, Anfang 50, gerufen, der bei
einem Sportereignis einen Herzstillstand erlitten
hatte. Kompetente Ersthelfer waren zur Stelle,
als die Ehefrau um Hilfe rief. Sie hatten
beatmet und Herz-Druck-Massage geleistet.
Der Rettungswagen kommt fast zeitgleich, die
wiederholte Defibrillation bleibt ca. 30 Minuten
erfolglos.
Eine
Traube Menschen stand herum, die Frau wurde
von Bekannten festgehalten und schrie, sie
wolle zu ihrem Mann. Da sich dieser Notfall
in der Nähe einer Großstadt ereignete,
wurde ein Mitarbeiter eines Kriseninterventionsteams
(KIT) angefordert.
Mit
jedem erfolglosen Versuch stieg der Stress
für Notarzt und Rettungsassistenten:
Soll die Reanimation weitergeführt werden?
Hat die Beatmung ausgereicht, das Gehirn zu
versorgen? Dazu die verzweifelte Ehefrau und
die vielen Menschen.
Die
geschilderte Situation gehört für
Notärzte eher zur Routine. Herzinfarkte
mit Stillstand sind häufig, nicht immer
gelingt die Reanimation. Dennoch stellt sich
die Frage: Können solche Routineeinsätze
so einfach weggesteckt werden
oder hat die hohe psychische Belastung doch
Folgen?
Aus
Traumaforschung und Erfahrungen im Katastrophenmanagement
weiß man inzwischen, dass auch die alltäglichen
Geschehnisse im Rettungsdienst mit einer hohen
psychisch-traumatischen Belastung einhergehen.
In epidemiologischen Untersuchungen wurde
festgestellt, dass Rettungskräfte, Polizisten
und Feuerwehrleute ein erhöhtes Risiko
aufweisen, nach stark belastenden Einsätzen
traumabedingte Störungen zu entwickeln.
Dabei schwanken die Zahlen beträchtlich.
Markus Heinrichs und Ulrike Ehlert vom Psychologischen
Institut der Uni Zürich schreiben, dass
etwa jede fünfte Einsatzkraft an einer
posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
Eine weitere Untersuchung zur Stressbelastung
im Rettungsdienst kommt zu ähnlichen
Ergebnissen.
Belastungsfaktoren
im Rettungsdienst
Während für Einsätze bei Kastrastrophen,
wie etwa nach dem Zugunglück von Eschede,
eine Inzidenz postraumatischer Belastungssyndrome
von ca. 10 Prozent ermittelt wird, liegen
für die alltäglichen Belastungen
keine validen Zahlen vor.
Eine
Analyse der wichtigsten Faktoren für
Rettungsdienstmitarbeiter ergab drei Gruppen
von Stressoren:
Ereignisstressoren:
Diese sind können entweder als Besonderheit
des Einsatzes beschrieben werden oder aber
als persönliche Faktoren. Vor allem bei
unerfahrenen Notärzten können auch
Schuld- und Versagensgefühle, zum Beispiel
bei nicht erfolgreicher Reanimation, die Belastung
erhöhen. Sätze wie Der Einsatz
lief gut, wir haben alles richtig gemacht,
aber der Patient hatte keine Chance,
zeigen die Problematik der Notsituation, aber
auch das Bedürfnis nach Bewertung und
Kompensation, auf das jedoch in der täglichen
Notarzt-Routine nicht eingegangen wird.
Berufsstressoren:
Ein typischer Berufsstressor im Notarztdienst
ist die immer wieder neue Konfrontation mit
belastenden Situationen. Einzelne Ereignisse
werden als normal und zu bewältigen erlebt
und kompensiert. Die Summe der anhaltenden
Stressoren kann jedoch zur Dekompensation
führen.
Organisationsstressoren:
Dies sind Belastungen, die durch die Struktur
der Rettungsdienstorganisation entstehen,
Strukturen die notwenig sind, damit die Notfallarbeit
möglichst reibungslos verlaufen kann.
Belastende Berufserfahrungen können aus
Notarztsicht häufig nicht angesprochen
werden, da dadurch unter Umständen die
fachliche Kompetenz in Frage gestellt wird
(siehe Interview). Dies könnte jedoch
die Bewältigung der belastenden Situation
erleichtern.
Stressmanagement
- Routine bietet keinen Schutz
Wie die repräsentative Untersuchung
von Wagner und Mitarbeitern an 402 deutschen
Berufsfeuerwehrleuten zeigt, bietet Berufserfahrung
keinen Schutz vor Traumatisierung. Je länger
die Einsatzkräfte ihren Beruf ausüben
und je häufiger sie an belastenden Einsätzen
teilnehmen, desto höher ist ihre Wahrscheinlichkeit
an einer Postraumatischen Belastungsstörung
(PTBS) zu erkranken. Darüber hinaus steigt
mit dem Ausmaß und der Zahl von PTBS-Symptomen
die Wahrscheinlichkeit an anderen klinisch
relevanten Störungen zu erkranken. Es
ist davon auszugehen, dass dieser Befund auf
Notärzte übertragen werden kann.
Schutzfaktoren
Neben den Stressoren gibt es in
der Person liegende Faktoren, die der
Betroffene eventuellen Belastungen entgegen
setzen kann. Diese werden auch als Ressourcen
bezeichnet,
Untersuchungen
zeigen, dass ein ausgeprägter Kohärenzsinn
- eine Art Grundvertrauen, das Leben als stimmig
zu empfinden als Ressource für
die Bewältigung von belastenden Anforderungen
wirken kann: Personen mit einem hohen Kohärenzsinn
bewältigen eher aufgabenorientiert und
sind mit ihrer Arbeit und ihrem Leben zufriedener
und leiden weniger an Burnout.
Einen
besonderen Stellenwert nehmen auch körperliche
Fitness, ein stabiles soziales Netzwerk und
die realistische, aber positive Einschätzung
der eigenen Kompetenzen (Selbstwirksamkeit)
ein. So konnte eine Längsschnittstudie
bei Einsatzkräften zeigen, dass sich
anhand der Selbstwirksamkeit zu Beginn der
Berufstätigkeit das Risiko später
eine posttraumatische Belastungsstörung
zu entwickeln, statistisch vorhersagen lässt.
Distanz
wahren ist wichtig
Seit der Zugkatastrophe von Eschede haben
auch Stressmanagement-Techniken Einzug in
den Rettungsdienst gehalten. Um Stress besser
bewältigen zu können, sind verschiedene
Techniken nützlich:
eine
bewusstere Selbstbeobachtung,
das Erlernen von Entspannungstechniken,
imaginative und kognitive Selbstinstruktionstechniken.
Als Aufgabe des kognitiven Selbstmanagements
geht es vor allem darum, die richtige
Distanz zu wahren. Man darf das fremde
Leid nicht zu nahe an sich herankommen
lassen. Nur so kann die eigene Kontroll- und
Handlungsfähigkeit erhalten werden.
Einsatznachsorge
(Debriefing, CISM, SbE)
In den letzten Jahren sind Nachsorgeprogramme
vor allem bei professionellen Feuerwehrmännern,
Rettungsdiensten und im Katastrophenschutz
eingeführt werden.
Diese
arbeiten meist nach dem von Jeffrey T. Mitchell
aus den USA entwickeltem Critical Incident
Stress Management (CISM). Im deutschen Sprachgebrauch
wird überwiegend der Begriff SbE (Stressbearbeitung
nach belastenden Ereignissen) benutzt oder
synonym die kürzeren Begriffe Einsatznachsorge
oder Debriefing.
Unter
einem Critical Incident versteht
Mitchell jede Situation, die so ungewöhnlich
starke emotionale Reaktionen hervorruft, dass
die Funktionsfähigkeit der mit ihr konfrontierten
Person beeinträchtigt wird.
Die
Nachbearbeitung des Einsatzes selbst läuft
in der Regel in mehreren Phasen ab:
Noch
am oder in der Nähe des Einsatzortes
kann ein Einsatzabschluss (Demobilization)
durchgeführt werden, bei dem vor allem
Informationen über das Einsatzgeschehen
und über mögliche Stressreaktionen
weitergegeben werden. Alternativ hierzu kann
eine Kurzbesprechung einige Stunden nach Ende
des Einsatzes stattfinden.
Nach
einigen Tagen sollte bei gegebener Indikation
eine Nachbesprechung (Debriefing) in einem
geordneten Setting (Umgebung) erfolgen. Im
Debriefing können die subjektiven Eindrücke
und Erlebnisse der Teilnehmer thematisiert
werden. Diese Besprechungen werden von psychosozialen
Fachkräften und speziell geschulten Einsatzkräften
(Peers) geführt. Mitchell empfiehlt,
dass diese Person keiner der am Einsatz beteiligten
Organisationen angehört, um höhere
Vertraulichkeit zu wahren und zudem Eigeninteressen
der Organisationen in der Nachbesprechung
auszublenden.
Nachsorgemethoden
in der Diskussion
In jüngster Zeit werden diese von
Mitchell entwickelten Nachsorgemethoden zunehmend
kritisiert. So meint der Psychotherapeut Markus
Heinrichs, Wien, dass diese Methoden der sekundären
Prävention zwar von den teilnehmenden
Einsatzkräften meist subjektiv als hilfreich
erlebt werden, aber trotz zahlreicher wissenschaftlicher
Studien bislang kein Wirknachweis vorliege.
In einzelnen Studien wurden sogar von Symptomverschlechterungen
berichtet.
Fazit:
Notärzte sind durch ihre Arbeit stärker
traumatisierenden Situationen ausgesetzt als
andere Berufsgruppen. Dabei ist die Häufigkeit
der Einsätze ein Risikofaktor für
Traumatisierung. Zur Zeit gibt es für
Notärzte in der Individualrettung kein
spezielles Nachsorgeprogramm, das diese Belastung
sekundärpräventiv mindern kann und
die derzeit verfügbaren Programme anderer
Rettungsberufe sind in ihrer Wirksamkeit umstritten.
Verschiedene Initiativen existieren, die unterschiedliche
Nachsorgekonzepte evaluieren und neue Konzepte
entwickeln.
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Notfallmedizin
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